Wir haben zwar von der Rasse her Milchziegen - jedoch gibt keines unserer Tiere Milch. Wie kann das sein?
Hier auf dem Furth-Hof werden männliche Kitze von einem Milchziegenbetrieb aufgezogen und vermarktet. Für größere Betriebe, die ihre Milch an eine Molkerei abliefern, ist es kaum möglich, eine wertschätzende Vermarktung aufzubauen. Häufig müssen die Tiere mit wenigen Tagen Alter zum Beispiel in die Tierfutterproduktion gegeben werden.
Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht. Wir geben den Tieren mindestens ein halbes Jahr, für die meisten ein paar Monate länger, ein würdiges Ziegenleben. Die Tiere genießen in der Herde einen Sommer auf der Weide. Viel Platz, viel Gras und wenig Kraftfutter, Versorgung mit allem was sie brauchen.
Ab Ende August werden die Tiere dann bei der Landschlachterei Schöwe in Sandstedt geschlachtet. Das wunderbare Fleisch, aber auch leckere Wurst und andere Produkte werden dann vermarktet.
Im Juli 2020 habe ich einen etwas längeren Text geschrieben, der erklärt, warum wir machen was wir machen. Da er in den Sozialen Medien viel gutes Feedback bekommen hat, möchte ich ihn hier nochmal für euch festhalten!
Heute steige ich mal ein bisschen inhaltlich ein – schöner als mit Fotos geht es kaum, aber die Details fehlen dann doch. In den letzten Wochen wurde ich immer wieder mal angesprochen, ob und wann ich denn Käse von meinen Ziegen anbiete. Tja, zack, da haben wir den Salat – kurze Antwort: gar nicht, zumindest nicht in absehbarer Zukunft.
Warum? Da wird es dann komplizierter. Ich erzeuge nur Fleisch – von und mit Tieren, die „da sind“, aber in unserem Marktsystem keinen Platz haben. „Bruderziegen“.
Unsere Landwirtschaft hält uns zusammen: sie produziert wertvolle Lebensmittel und Energieträger, gestaltet die „Kulturlandschaft“, prägt viel von unserer Kultur und Tradition. Aber Politik, Markt und Gesellschaft haben sie über Jahrzehnte in ein System gedrängt, wo meist nur noch „mehr, schneller, effektiver“ zählt. Wachstum muss sein. Um davon zu leben, die Familie zu nähren, vielleicht den Hof noch eine Generation weiter zu bringen.
In der Tierproduktion sind dabei in vielen Fällen die männlichen Tiere die Verlierer. Wenn Frau Huhn, Kuh, Ziege, etc. richtig viele Eier oder massig Milch bringen soll, kann genetisch der Herr Hahn, Bulle, Bock, etc. nicht wirklich was leisten. Vor allem, wenn andere Typen zur Verfügung stehen, die flott dick und rund werden – wer will sich dann mit den mageren Knaben abgeben?
Ziegen sind nach der Nachkriegszeit als wichtige Produktionsrichtung aus Deutschland verschwunden. Von damals haftet ihnen bis heute ein nicht gerade nettes Image an – streng, stinkig, zäh. Da sag ich zu einem anderen Zeitpunkt mal was zu. Nur so viel: Haltung, Fütterung usw. haben sich seit damals geändert, am Fleisch ist nichts Strenges, auch wenn’s in manchen Käsearten noch durchkommt.
Über Jahrzehnte gab es Ziegenkäse eigentlich nur von kleinen Betrieben, die die Milch selbst in Form von Käse und Co. vermarktet haben. Die waren dann zumeist in der Lage, ihre Bockkitze auf dem Markt oder im Bekanntenkreis abzusetzen. In den letzten Jahren wird Ziegenkäse aber „en vogue“ – kaum ein gutes Buffet mehr ohne ihn. Mittlerweile gibt es in Deutschland auch einige Molkereien, die die Milch mehrerer Betriebe verarbeiten. Und schon geht es los: die Betriebe spezialisieren sich; da sie nicht den Käse machen müssen, können sie mehr Tiere halten und melken. Und es kommen mehr Kitze zur Welt. Aber – wo ist der Markt? Die Betriebe haben keinen Marktwagen mehr. Der Bekanntenkreis ist auch irgendwann Ziegensatt.
Schon mal Ziegenfleisch im Supermarkt gesehen? Ne? Eben! Die „Brüder“ sind nicht mitgedacht. Ja, sie werden verwertet. Häufig als Tierfutter, oder in der ausländischen Intensivmast. Billig. Durchlaufender Posten sozusagen. WENN wir aber alle unsere Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft so verändern wollen, dass es Tieren, Umwelt und Landwirten gut geht, müssen wir als Verbraucher das System auch zu Ende denken. Esse ich Ziegenkäse, bin ich irgendwie auch für die Bocklämmer der Ziege mit verantwortlich.
Und hier kommt meine Vision ins Spiel: ich nehme Bockkitze von einem Milchziegenbetrieb ab. Dann gibt’s für die Tiere mindestens ein halbes Jahr, die meisten ein paar Monate länger, alles an Fürsorge, was ich als Nutztierhalterin aufbringen kann. Bestes Futter (juchuuu, unser Heu für dieses Jahr ist drin!). Weidegang (Sonntag wieder drei Stunden Zäune umstecken… aber: keine Nahrungsmittelkonkurrenz für den Mensch). Umsorgung, so gut es geht. Da landet auch mal ein krankes Kitz in Wolldecken vorm warmen Ofen – sorry an meine Mitbewohner. Viel Sorge, viel Arbeit, und viele wunderbare Momente, wenn die Herde völlig gechillt in der Weide liegt und man sich doch mal einen kurzen Augenblick dazu setzt, bevor es weiter geht.
Am Ende stehen dann die Schlachtung und die Vermarktung des Fleisches. Kann man ewig drüber diskutieren. Ich kenne sie alle, die Vorwürfe, die zweifelnden Fragen, die man jetzt platzieren kann. Und ich setze mich damit auseinander. Trotzdem bin ich überzeugt, dass ich mit meinem Projekt einen Schritt in eine gute Richtung gestalte. Und bin stolz, wenn ich am Ende ein wunderbar zartes, leckeres Stück Fleisch zu einem wertschätzenden Preis vermarkten kann. Und die Rückmeldungen kommen, wie super das geschmeckt hat.
Klar, billig ist das nicht. Kann es nicht sein, und soll es nicht sein. Denn sonst geht es ganz schnell wieder los: sollte ich nicht doch Fleisch- statt Milchziegen nehmen, damit „mehr dran“ ist? Mehr Kraftfutter, damit sie schneller zunehmen? Weniger Weidegang, damit es einfacher und besser zu kontrollieren wird? Und zack, sind wir wieder da, wo wir heute stehen.
Zum Glück sind wir als Gesellschaft dabei zu begreifen, dass wir umlenken müssen. Es ist nicht immer leicht, denn damit es wirklich klappt, dürfen wir nicht mehr so bequem sein und Dinge pauschalieren, sondern müssen mitdenken – und z.B. als Verbraucher unser Einkaufsverhalten ändern.
Nicht nur sagen, dass wir mehr Tierwohl WOLLEN. Dass wir mehr Geld für gute Produkte ausgeben WÜRDEN. Das Regionalität schon wichtig SEI. Sondern es auch TUN und unseren Teil Verantwortung übernehmen.
Nicht gleich jeden Tag, immer, ständig. Kaum einer kann „perfekt“ leben und von heute auf morgen alles „richtig“ machen (was ist eigentlich richtig?). Aber sich auf den Weg machen. Eben doch mal wieder auf dem Grünmarkt oder im Hofladen direkt beim Bauern kaufen. Doch mal öfter vegetarisch kochen oder das Gemüse in der Bioecke einkaufen. Und für gute Produkte auch mehr Geld ausgeben – und damit die Produktion WERTSCHÄTZEN. Das ist es…